Wer mich oder den hauptsächlich von mir bedienten Twitch-Kanal von Firesplash Entertainment kennt, weiß, dass ich gerne hin und wieder für ein paar Stunden Beat Saber in die virtuelle Welt (VR) abtauche. Eine schöne Möglichkeit, vom sonstigen Alltagsstress etwas Abstand zu nehmen. Setzt man die Brille auf, ist die reale Welt erst mal auf pause, fast schon weg.
Genutzt habe ich hierfür bislang eine HTC Vive, welche ich Anfang des Jahres günstig gebraucht erstanden hatte. Auch das TPCast Wireless Kit war hier zu meinem Glück mit dabei, denn in eine virtuelle Realität eintauchen ist zumindest für mich schwierig, wenn man von einem Kabel über das man stolpert, dagegen schlägt oder sich darin verheddert immer wieder aus der sonst recht immersiven Erfahrung heraus gerissen wird. Hier möchte ich die alte Vive in den praktischen Vergleich mit der Valve Index bringen.

Die alte Vive und ihre Tücken

Die Vive steht oft in Foren oder auf Reddit wegen der relativ schlechten Bildschärfe – vor allem im Randbereich – also dem relativ kleinen, sogenannten “Sweet Spot” in der Kritik der Spieler. Auch mich hat das gestört, der Grund dafür: Als Streamer will man seinen Chat natürlich im Game verfolgen, glücklicherweise gibt es dafür im VR-Space bei Nutzung von SteamVR schon eine gute Lösung. Beat Saber hat sogar eine eigene Mod dafür. Ärgerlich ist es hingegen, dass man sehr direkt und unnatürlich durch Kopfbewegung auf den Text starren muss (statt einfach kurz nach oben zu schielen). Mal eben im Spielfluss eine Zeile des Chats lesen, ist somit so gut wie unmöglich.

Das, sowie einige Tracking-Probleme und natürlich die Neugierde haben mich dazu bewegt, mir eine Valve Index zu bestellen. Wohl wissend, dass es – zumindest derzeit – keine Möglichkeit gibt, das Kabel dieser Brille los zu werden.

Der Erste Eindruck der Index

Als die Brille kam war der Hype natürlich groß. Gerade frisch aus der Packung genommen und schnell angeschlossen habe ich das neue HMD direkt einmal im Steam VR Home ausprobiert: Genial. Das Bild ist um ein vielfaches klarer und schärfer. Die Brille liegt sehr angenehm am Kopf an und alles funktioniert – obwohl ich noch die Base Stations der Vive verwende (die offiziell kompatibel sind). Das Tracking ist flüssiger und das optische Erlebnis deutlich realistischer als bei der Vive. Definitiv ein großer Pluspunkt! Auch die durch die Fresnel-Linsen verursachten Godrays, von denen man an vielen Stellen im Netz liest, konnte ich im Gegensatz zur Vive nicht ausmachen.
(Es gibt übrigens einen Lens-Hack, der die Schärfe und die Godrays der Vive fixen soll.)

Also direkt ab zum ersten Song in Beat Saber… Die Knuckles Controller liegen sehr schön in der Hand, aber mit dem Laserschwert die Blöcke zu treffen gestaltet sich schwierig, denn das Licht schießt in einem anderen Winkel aus der Hand als bei den Vive Controllern. Ich hoffe, ich finde dafür eine Lösung, denn so verrenkt man sich doch recht stark. Na ja, who cares? Die Welt sieht auf einmal so klar aus, es ist als wache man aus einem Dämmerschlaf auf… Der Hype hält an, ich teste Weiter.

Die Realität: Ein anhaltendes Problem

Leider wird das immersive Erlebnis direkt wieder gestört. Als ich bei einem Song Noten über Kopfhöhe zerschlagen muss, verheddere ich mich mit dem Controller im an der Decke mittels spezieller Federschlaufen (nennt man die so?) verlegten Kabel. Ein Risiko, das ich bereit war einzugehen. Und es hat sich bestätigt, denn nicht nur das verheddern ist ein Problem. Ich merke den Zug des Kabels. Während des Spielens bewege ich mich instinktiv ganz langsam immer mehr in Richtung des Fixierpunktes des Kabels, so als ziehe mich jemand vom Schauplatz des Games weg.

Der versierte Kabel-VR-Gamer denkt sich jetzt wahrscheinlich warum ich mich so über ein simples Kabel so sehr aufrege, aber wenn man von Wireless kommt, ist das ein harter Rückschritt. Oder habt ihr etwa noch nie mit eurem Smartphone telefonieren müssen, als es am Ladekabel hing?

Themenwechsel: Fakten.

Kommen wir zurück zu den technischen Fakten: Im Audiobereich verspricht Valve ein realistisches Audioerlebnis. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, den die Lautsprecher hängen ein paar Millimeter von den Ohren abgehoben in der Luft. Der Sound ist klar, und scheint tatsächlich aus der Umgebung zu kommen. Einzig im Bassbereich hat diese Technik ihre Nachteile. Der Bass bei Beat Saber klingt etwas dosig. Es fehlt einfach der Druck, den der Deluxe Audio Strap der Vive durch seinen direkten Ohrkontakt besser aufbauen kann.

Steuerung

Die Mitgelieferten Knuckles-Controller (offiziell Valve Index Controller) liegen optimal in der Hand, halten durch ihren Befestigungsriemen sehr gut an den Händen. Mit offener Handfläche schütteln sollte man sie ohne Sicherung jedoch trotzdem nicht. Die Controller fühlen sich sehr wertig an, das Highlight ist natürlich das vollständige Finger tracking. Ich bin gespannt, was die Entwickler daraus machen…

Mein Fazit:

Wer hatte eigentlich die Idee Kabel an VR-Brillen zu bauen? Es stört, nein nervt sogar. Mit einem gut ausgeklügelten Montage-System kann man das aber so weit minimieren, dass die technischen Vorteile der Index (mehr Subpixel, höhere Auflösung, schnellere Wiederholraten, größerer FOV, großer Sweet Spot, angenehmeres Kopfgefühl, stabileres Tracking) einfach überwiegen.
Ich werde bei der Valve Index bleiben und hoffe, dass es bald die nötige Technik für ein Wireless-System gibt und dieses dann bezahlbar auf den Markt kommt.
Was mich allerdings auch nervt, und mich momentan auch etwas hin und her reißt, vielleicht doch die Vive Pro mal zu testen ist, dass ich in einer dunklen VR-Umgebung Licht am inneren der Brille sehen kann, wenn ich auf etwas helles schaue (wie bspw das Beat Saber Logo beim Ladebildschirm).

Und was denkt ihr?

Habt ihr die Index schon getestet? Was sind eure Erfahrungen? Welche VR-Hardware bevorzugt ihr und was denkt ihr über HMD-Kabel?

Ihr wollt mehr über die Brille wissen? Dieser Beitrag ist kein Review, sondern lediglich ein Erfahrungsbericht. Vielleicht lasse ich mich ja aber noch dazu hinreißen, ein komplettes Review zu verfassen…

Weiteres Fazit nach einem Jahr:

Nach circa einem Jahr habe ich die Index nun zugunsten einer Vive Cosmos verkauft. Der Schritt hatte zwei Gründe: Sie ist Kabellos (mit Wireless Kit) und eine ganze Ecke günstiger. Ich spiele inzwischen seltener VR und für meine Anforderungen reicht eine Cosmos derzeit aus. Die Qualität ist weiterhin sehr gut, wenn auch nicht ganz so klar wie bei der Index. Die Index ist meiner Meinung nach einfach nach wie vor die technisch beste VR-Brille am Consumer-Markt, auch wenn gerade im VR-Segment in den nächsten Jahren sicherlich noch einiges auf uns zu kommt. Sie hat eben aber ihren Preis, und der ist – auch heute noch – stolz.

Bildquelle: Offizielle Valve Website

Blogbeitrag größtenteils übernommen von Cybernaut (Hier schrieb ich früher ab und an)